Bisch‘ fit?

„In diesem Jahr werde ich im Urlaub nichts tun. Die erste Woche werde ich mich nur 
im Schaukelstuhl entspannen.“

„Ja, aber dann?“
„Dann werde ich eventuell ein wenig schaukeln.“

 

Aktivferien sind etwas ganz wunderbares. Sich in der freien Natur zu bewegen und etwas für den eigenen Körper, für die Gesundheit und die Fitness zu tun, ist durchaus löblich und kann (angeblich) richtig Spass machen.

Kein Wunder begegnet man seit einigen Jahren immer mehr Menschen, die ihre durch die Pensionierung gewonnene, freie Zeit damit verbringen, perfekt ausgerüstet mit Ganzköpervollversieglung aus Marken-Windstopper-Jacken und stromlinienförmigen Regenpants mit Ablaufnaht, bei Wind und Wetter, kraftvoll unterstützt durch schnittig designte, umgebaute Skistöcke mehrere Kilometer weit zu gehen. Am besten in Rud… äh … Gruppen. Vor allem am Eingang der Verenaschlucht kann man das gut beobachten. Aus dem Auto steigen, Montur montieren, Höhe der Stöcke kontrollieren, eventuell neuangeschafftes Material gemeinsam bewundern (oder beneiden), noch schnell einen Schluck aus der Outdoortrinkflasche – denn bis zum Restaurant am anderen Ende der Schlucht ist es weiter als man denkt – und dann aber los…

Man hat mir gesagt, dies werde gemeinhin als „walken“ bezeichnet.

Ich bin noch nicht soo alt, aber in meiner Kindheit ging man entweder spazieren, oder man ging einfach am Stock…

Wie gesagt, es ist eine tolle Sache, dass wir mittlerweile gelernt haben, wie wichtig es ist, auf unseren Körper zu achten, ihn zu pflegen und dafür besorgt zu sein, das wir bis in’s hohe Alter unseren Beitrag leisten, um gesund zu bleiben und vor allem eines zu sein: Fit!

Leider muss ich aber für mich feststellen, dass ich immer wieder Menschen begegne, die auch im hohen Alter top fit sind, aber sonst gar nichts. Das macht mich irgendwie nachdenklich, denn mir schwirrt einfach immer noch die Bedeutung des Wortes „fit“ im Kopf herum. „Fit“ heisst nämlich eigentlich nicht „gesund“, sondern „passend/angemessen“. Und um mein Leben mir und dem Leben selbst angemessen gestalten zu können, muss ich auf meine GANZE Gesundheit schauen und nicht nur auf die körperliche.

So unbequem nämlich die Notwenigkeit ist, Sport zu betreiben und den Körper zu „ertüchtigen“, so bequem ist es, dabei NUR beim Körper zu bleiben. Bei manchem wilden Walker bin ich mir nicht so sicher ob er wirklich walked, oder ob er nicht versucht vor dem Tod davonzulaufen.

Wer wirklich in der Tiefe – bis in die Zellen hinein – gesund, dem Leben angemessen, leben will, der muss viel mehr tun als von A nach B die Stöcke zu schwingen. Oder vielleicht müsste man eher sagen: der muss vielmehr lassen? Gerade die Verenaschlucht, der Wald, die Wiesen und so vieles mehr, laden ein einmal WIRKLICH zu gehen, mit ganzem Herzen oder ganzem Fuss. Eigentlich laden sie ein, nicht irgendwo hin zu laufen, sondern einmal wirklich anzukommen in jedem Schritt. Den eigenen Körper und Geist frei zu lassen und in grossem Frieden im All herumzuspazieren … stehen zu bleiben, zu verweilen und dann wieder weiter zu gehen, um wieder stehen zu bleiben und tief zu schauen, zu lauschen und zu sein.

Von Jesus – ein mir ziemlich fit erscheinender junger Mann – heisst es im Glaubensbekenntnis übrigens auch nicht „er walked zu Rechten Gottes“, sondern noch schlimmer: „er SITZT“!
Ich will Ihnen nicht die Freude am Sport verderben, aber ich wünsche Ihnen von Herzen, dass die Sommerzeit für Sie eine Zeit wird, in der Sie der Einladung bei sich zu Hause anzukommen ohne Angst und schlechtem Gewissen, lächelnd folgen können – ganz gleich wohin Sie gerade wackeln … äh … walken … äh … gehen!

Die Extase der Hl. Theresa

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Er hatte einige Kritik aushalten müssen, der gute Herr Bernini, als er der hohen Geistlichkeit der damaligen Zeit seine Skulptur der Hl. Teresa zeigte. Von Obszönität, von Respektlosigkeit einer Kirchenlehrerin gegenüber wurde da gesprochen. Die etwas verklemmten Moralhüter seiner (und späterer) Zeit sahen in der Darstellung ihrer Ekstase „nur“ eine Frau auf dem Höhepunkt ihrer Lust. Sie erkannten nicht, welch buchstäblich überwältigende Schönheit nicht nur Teresa, sondern als Einladung eben auch die Betrachter dahinraffen möchte, wenn wir uns ganz auf das Dasein als Mensch aus Fleisch und Blut einlassen. Die Sinnlichkeit ist eben doch ein Weg in den Sinn geschenkten Lebens. Heute steht die Skulptur in der Kirche Sta Maria della Vittoria in Rom und niemand käme auf die Idee, an der künstlerischen Lauterkeit des grossen Bildhauers und Architekten des italienischen Barock zu zweifeln. Mit Leib und Seele zu leben heisst auch mit Leib und Seele die Berührung Gottes zu erwarten und zu erfahren. Wer weiss, welches Geschöpf ihm seine Haut leiht …

Gott macht Fehler

Gott macht Fehler. Ganz bewusst. Er lässt sie zu, weil dann die Liebe eine Chance hat, ihr Gesicht zu zeigen – Ihr Gesicht zu zeigen.

Ring the bells that still can ring
Forget your perfect offering
There is a crack
A crack in everything,
That’s how the light gets in. 

Läut‘ die Glocken, die noch klingen.
Vergiss Perfektes darzubringen.
Es ist ein Bruch,
Ein Riss in allen Dingen.
So dringt das Licht nach innen.

(L. Cohen)

Eine perfekte Welt mit Fehlern? Kann das möglich sein? Ein perfekter Mensch mit Fehlern? Kann ich mit all meinen Fehlern, so, wie ich bin, perfektes Abbild Gottes sein?

Ja, genau so ist es. Eben ein perfektes Unebenbild.

Denn es geht nicht darum alles Fehlerhafte auszumerzen, gegen jeden Fehltritt anzukämpfen, auszublenden, was nicht in’s perfekte Bild passt (kriminell gewordene Ausländer, alte und behinderte Menschen, Sterbende, aggressive Jugendliche – und deren Eltern, …)

Es geht nicht darum, den Fehler loszuwerden, gegen den Fehler zu kämpfen, sondern für das Fehlende da zu sein. Das wäre ein Abbild, göttlichen Handelns.

Denn was die Schöpfung so perfekt macht, ist nicht die oberflächliche Vollkommenheit seeligen Friedens hinter dicken Grenzwällen und sauber gestrichenen Gartenzäunen.

Es ist die Art des Umgangs mit dem Scheitern.

Es ist das Begreifen, dass genau das Scheitern, genau der Fehler, den ich immer wieder mache, vielleicht viel mehr den Weg zum Neuen, Wahren, Lebendigen in sich trägt, als jede punktkorrekte Bilanz. Einstein: „Wer keine Fehler macht, kann auch nicht zur Vernunft kommen.„

Was sollte ich denn lieben können, wenn nicht das, was meine Liebe braucht?

Wie schwer ist ein Glas Wasser

Wie schwer ist ein Glas Wasser?

 

Während eines Seminars über Stress-Management griff die Seminarleiterin zu einem Wasserglas und hielt es in die Höhe.

Die meisten TeilnehmerInnen erwarteten nun die berühmte Frage, ob das Glas nun halb voll oder halb leer sei.

Statt dessen, mit einem süffisanten Lächeln auf den Lippen, fragte sie: „Wie schwer ist dieses Glas Wasser?“

Die Antworten reichten von 200 bis 300 Gramm.

Sie erwiderte, das absolute Gewicht des Wasserglases spiele überhaupt keine Rolle. Es käme darauf an, wie lange ich das Glas in der Hand halte.

„Das Glas für nur eine Minute zu halten, ist überhaupt kein Problem“, betonte sie. „Wenn ich es aber eine Stunde lang halten will, wird mir irgendwann der Arm weh tun. Und wenn ich es einen ganzen Tag lang so in der Hand halte, wird mein Arm steif und steifer werden und sich am Ende wie gelähmt anfühlen.

Das absolute Gewicht des Wasserglases ist in jedem Fall das selbe. Aber je länger ich es in der Hand halte, umso schwerer wird es sich anfühlen.

Die Belastungen und Sorgen des Lebens sind ganz wie dieses Wasserglas. Sie nur einen Augenblick in meinen Gedanken zu halten, macht noch nichts. Sobald ich sie aber schon ein wenig länger festhalte und über ihnen grüble, fängt es an weh zu tun. Dieser Schmerz ist wichtig, um meine Probleme tief sehen zu können, aber er muss auch ein Ende finden können, sonst habe ich keine Kraft mehr für die nächsten Schritte, geschweige denn für die Lösung. Wenn ich den ganzen Tag über meine Sorgen nachdenke, fühle ich mich irgendwann wie gelähmt – unfähig auch nur irgendetwas zu tun.

Es ist wichtig, sich immer wieder daran zu erinnern, Stress und Druck sein zu lassen.
Versuchen Sie regelmässig am Abend, so früh wie möglich, alle Belastungen abzulegen. Wenn sie religiös sind, dann legen Sie sie einfach in’s Herz Gottes – als wären Sie ein Kind. Und wenn Sie nicht religiös sind, dürfen Sie gerne das Selbe tun. Tragen Sie Ihre Sorgen nicht durch den ganzen Abend bis weit in die Nacht. Denken Sie daran, das Glas immer wieder abzustellen!“

 

Und was sagte die Mystik zu diesem Bild?

Wenn ich das Glas meiner Sorgen immer wieder in die Hand nehme und immer wieder abstelle und immer wieder in die Hand nehme und immer wieder vertrauend abstelle, werde ich mich irgendwann dabei ertappen, wie ich – völlig ohne Angst und ohne zu wissen, was ich tue – den ganzen Kelch leertrinke. Dankbarkeit wird wachsen für alles, was mich zu dem gemacht hat, was ich heute bin.

So blöd

Mein Kunstlehrer hatte einen uralten Diaprojektor. Es war noch so ein Modell, bei dem man die Dias (ältere unter uns werden sich noch erinnern, was ein Dia ist) von Hand in eine Schiene schieben musste, um sie dann in den Lichtschacht des Projektors zu drücken. Auf der anderen Seite kam dann das vorher betrachtete Bild heraus und man konnte das nächste Dia einschieben – wenn es klappte. Eigentlich ist das ein ganz einfacher und ziemlich unverwüstlicher Mechanismus ohne überflüssige, mechanische Bauteile oder anfällige Micromotoren. Nur Fingerkraft und ein wenig Metall – wenn es funktionierte. Und das tat es nicht bei jedem.

Bei dem bewussten Kunstlehrer funktionierte es nicht. Entweder brachte er das verflixte Dia nicht in die Führungsschiene, oder es blieb – wenn es denn mal drin war – für immer und alle Ewigkeit im eisernen Griff der heimtückischen Höllenmaschine stecken. In den meisten Fällen führte verbissenes Herumfummeln dazu, dass die perfide Technik frech und respektlos zubiss. So steckte am Ende nicht nur das mittlerweile verbogene Dia von Picassos „Les Demoiselles d’Avigion“ in den blechernen Rahmen fest, sondern auch des verzweifelnden Künstlers schmerzender Finger.

Ich vermute er hatte einen Dauerauftrag bei irgend einem Pflasterhersteller seines Vertrauens.

Nie um einen guten Kommentar verlegen, murmelte die erschütterte Lehrperson in solch tragischen Situationen jeweils: „Ich bin mir SICHER, dass sich die Dinge BOSHAFT gegenüber dem Menschen verhalten können.“

Wer verhält sich hier gegenüber wem? Ist es wirklich das dumme Stück Metall, das mir in den Finger schneidet? Es stimmt schon, ich neige auch manchmal zu der Annahme, mein Computer habe ausgeprägt bockige Persönlichkeistzüge. Aber das tue ich vor allem dann, wenn mir selbst die Aufmerksamkeit fehlt und ich genervt bin und es viel zu mühsam wäre, genau das auszuhalten.

Denn wir empfinden es in der Regel als ziemlich unangenehm und vor allem wenig schmeichelhaft, wenn wir beginnen unsere eigene Unzulänglichkeit und unsere eigene Unsicherheit zu spüren. Niemand ist gerne der Blöde. Also machen wir das „Ding“ zum dummen Ding und spalten ab, was eigentlich zu unserer Einzigartigkeit gehört.

Das wäre noch kein all zu grosses Problem, machten wir hier einen Unterschied zwischen Dingen und Menschen. Leider tun wir das nicht. Schneller als eine Millisekunde sind wir bereit, unsere genervten Stimmungen, unseren eigenen Frust und Ärger, unsere eigene Angst, und vor allem den eigenen Egoismus auf die anderen zu Projizieren. Das Leben scheint einfacher, wenn die anderen Blöd sind. Oder mindestens bequemer, weil ich mir so den bitteren Geschmack von Scham und Reue, der mit allem Erkennen verbunden ist, erspare.

Vielleicht bräuchten wir manchmal auch einen Ort, wo wir uns von Herzen blöd anstellen dürften, ohne uns gleich geisseln zu müssen.

Das entspräche viel mehr unserer Natur, als immer alles – aus der Sicht der Anderen und der Moral – richtig und perfekt zu machen. Wie sollen wir uns denn Entwickeln, wie sollen wir denn lernen, ohne uns vorher mindestens ein wenig blöd angestellt zu haben? Wie sollen wir neue Wege finden, wenn wir stets brav auf den alten Pfaden „trotten“ (Sie empfinden den Geschmack des „Trottels“ in dieser Art des Gehens?).

Wenn wir ganz still werden, können wir sehen, dass eine geheimnisvolle Gegenwart in jedem Menschen leuchtet, dass sie darauf wartet, entdeckt und freigelegt zu werden – und das wird sie nicht durch Perfektion und Können, sondern viel eher dadurch, mit Vertrauen und Mut, dem Abgründigen in mir, dem Frust, der Angst, der Langeweile, dem Egoismus, so lange ins Gesicht zu schauen, bis mein Herz sich mit ihnen versöhnt hat.

Dann braucht es keine „dummen“ Diaprojektoren, keine „bockigen“ Computer und keine „gemeinen“ Mitmenschen mehr nur, damit ich mich nicht blöd fühle.

Ich wünsche uns einen fröhlichen und „depperten“ und ausgelassenen und freien und unkonventionellen Blick, damit wir uns niemals unserer Selbst schämen, sondern bestenfalls laut und von Herzen über uns und die Welt lachen.

leibhaft

Leibhaftes Beten

 

Setz Deine Füsse, säulengleich auf weiten Raum
Heb Deine Augen auf zum Licht
Mach Deine Hände zum Portal
Deine Ohren zum Schoss für den Samen
Deinen Leib zum wartenden Kelch.
Stille tropft in Dein Herz
und das Wort umarmt Deine Mitte
Sehnsucht faltet sich auf, wie eine Blume
Du selbst bist Gebet.

Irmgard Hess

Gestern noch

Gestern noch
war
mein ganzer Leib
nichts
als offene Wunde.

 

Heute schon
trägt mich –
trage ich
die ganze Welt
in meinem Körper.

 

Dazwischen
nächtlich
liegt

nichts
als leises Flüstern
im Herzen
jeder Zelle:
„ja“.

 

Sind Deine Ohren
offen,
ist es um Dich
geschehen
und Du lauscht

heilend

nur
dem Gesang
des Lebens.

(KHS) 

Der Koffer

Ein Mann lag im Sterben.

In der Stille seines langsamen Abschieds, sah er jemand langsam näherkommen.
Es war Gott. Und er hatte einen Koffer in seiner Hand.
Gott sagte: „Mein Sohn, es ist Zeit, zu gehen.“
Erstaunt antwortete der Mann: „Jetzt? Schon? Ich hatte noch so viel vor …“

„Es tut mir leid, aber es ist Zeit, zu gehen.“ erwiderte Gott.

„Was hast Du in dem Koffer da?“ fragte der Mann.
Gott antwortete: „Deins.“

 

„Meins? Meinst Du meine Sachen, meine Kleider, mein Geld?“

Gott antwortete: „Diese Dinge waren nicht `Deins`. Sie gehören der Erde.“

 

„Sind es meine Erinnerungen?“ fragte der Mann.

Gott antwortete: „Die haben Dir nie gehört. Sie gehören der Zeit.“

 

„Sind es meine Begabungen?“

Gott antwortete: „Auch die haben Dir nie gehört. Sie gehören zu deinen Gegebenheiten des Lebens.“

 

„Sind es dann meine Freunde und meine Familie?“

Gott antwortete: „Tut mir leid, die haben Dir nie gehört. Sie gehören zum Weg.“

 

„Sind es meine Frau und mein Sohn?“

Gott antwortete: „Sie haben Dir nie gehört. Sie gehören zu Deinem Herzen.“

 

„Ist es dann mein Körper?

Gott antwortete: „Der war nie Deiner. Er gehörte von Anfang an zum Staub.“

 

„Es ist meine Seele, oder?

Gott antwortete: „Nein, die gehört mir.“

 

Voller Angst nahm der Mann den Koffer entgegen und öffnete ihn – er war leer. Während ihm eine Träne über die Wange lief, sagte er: „Hatte ich nie irgendetwas, das `meins` war??? Gott antwortete: „Ja. Jeder Augenblick Deines Lebens war ganz und gar für Dich. Das Leben ist nur ein Augenblick. Ein Augenblick, der ganz und gar Dir gehört. Deshalb solltest Du auch diesen Augenblick schätzen, so lange er mit Dir verweilt. Lass nicht zu, dass irgendetwas (von dem Du glaubst, es gehöre Dir) Dich davon abhält, ganz den Augenblick zu leben. Lebe JETZT. LEBE Dein Leben. Vergiss nie, Dankbarkeit und echtes Glück zuzulassen. Sie sind die einzigen Dinge im Leben, die wirklich zählen.

Materielle Dinge und alles Andere, für das Du Dich abgemüht hast, bleiben hier zurück. Du kannst nichts mitnehmen. Nirgendwohin.

Gottesgeplapper

Inflation gibt es nicht nur in der Wirtschaft. Auch die Sprache kennt den inflationären Gebrauch von Begriffen. Was zu oft in Umlauf gebracht wird, verliert seinen Wert. Wovon zu viel geredet wird, verliert seine Tiefe.

Wohl gemerkt, es ist nicht das Göttliche, das seine Tiefe verliert. Aber das Wort dieser Wirklichkeit verliert die Kraft, uns zurückzuwerfen, auf die grosse Weite des Lebens.

Ich habe es nicht gerne, wenn das Wort Gott so oft und vor allem so schnell verwendet wird. Es wird so belanglos, so gewöhnlich und so beiläufig dadurch.

Die jüdische Tradition liegt mir näher. Aus Respekt vor der Heiligkeit der letzten Wirklichkeit, wird ihr Name niemals ausgesprochen, sondern nur umschrieben.

Wer könnte auch mit einem simplen Namen von der grossen Wirklichkeit sprechen. Buchstaben, Worte sind nur Finger, die auf den Mond zeigen. Niemals der Mond selbst. Es sind nur Etiketten. Schilder, Labels, nichts weiter.

Gottseidank gibt es das nicht, was sich die meisten Menschen in ihren Begriffen, Bildern, Worten, unter Gott vorstellen. Leider glauben wir schnell, wir müssten uns konkrete Vorstellungen machen, weil die Wirklich weit entfernt sei und damit unsichtbar. Dabei müssten wir nur einfach lernen, ganz still zu werden. Wirklich still. So still, dass man den Augenblick greifen kann. Dass es keinen Unterscheid mehr gibt, zwischen dem Schweigen und dem, der Schweigt. So still, dass ich mit meinen Knochen spüre: Ich bin diese Stille – und diese Stille ist das Schweigen Gottes. Das ist kein Widerspruch und keine überhebliche Ketzerei, sondern ganz einfach alles durchdringendes, dankbares Dasein. Geheimnisvolle Gegenwart in allem. Grabesstille und Auferstehung im selben Moment.

 

Wenn es so ganz still wird, wenn kein Laut die Stille stören kann, weil ich erfahre, dass es nicht leise sein muss, um in der Stille Gottes zu atmen, wenn mein, wenn sein Schweigen dicht wird, dann hat plötzlich alles seinen Platz. Dann fehlt nichts mehr und nichts ist mehr zu viel. Dann sitzt Du an der Kraftquelle Deines Lebens: Jetzt. Diese Quelle hat kein Ende – und Sie ist immer dort, wo Du bist, an jedem Ort.