umgekehrtes Schuldbekenntnis

Zwei der Schlüssel, um wirkliche Fülle zu erfahren, sind Dankbarkeit und Freude. Sie sind gratis, jederzeit verfügbar und warten geradezu nur darauf, geübt zu werden. Es stimmt, man kann Dankbarkeit und Freude üben. Zum Beispiel, in dem man die eigene, geschenkte Grösse zulässt, und sich nicht ständig kleiner macht, als man ist.

Das hat nichts zu tun mit Grössenwahn, sondern viel eher damit, ehrlich und demütig anzunehmen, was ist und was ich bin – und der damit verbundenen Verantwortung nicht ständig, feig aus dem Weg zu gehen. Denn es ist manchmal auch bequem, klein zu bleiben.

Das Leben hat eine unerschöpfliche Lust, sich an sich selbst zu freuen. Wenn wir uns ständig selbst dafür kritisieren, was wir sind, stehen wir dieser Sehnsucht, eigentlich dieser Erfüllung von Leben, unaufhörlich im Weg. Kein Wunder, wenn wir darüber depressiv und verbittert werden. Und welche heilsame Kraft soll schon von uns ausgehen können, wenn wir jedem Anflug von Lebendigkeit den Stachel eingeübter Selbstgeringschätzung mitgeben?

Beten heisst, all diese fiesen Stacheln, die uns zurückhalten, das zu sein, was wir wirklich sind, nacheinander aus unserem Herz zu ziehen. Sie liebevoll aber bestimmt fallen zu lassen und dann weiterzugehen, macht nicht nur den eigenen Geist ein Stück heiler, es lässt auch die gesünder werden, mit denen wir das Leben teilen. Und es macht unser Dasein kraftvoll, und unser Tun.

Hab keine Angst vor Deiner eigenen Grösse! Werde einfach, still, schlicht, und hab‘ dennoch keine Angst vor Deiner eignen Grösse. Diese Grösse hat einen Namen – und das ist nicht Deiner. Es ist der Name des Unaussprechlichen, des unergründlichen Grundes, der wirkt und der leben will, mit Deinem Gesicht und Deinem Herz.

Der Text aus einem Gottesdienst einer schwedischen Frauengruppe sagt’s:

Gott, ich bekenne vor Dir,

dass ich keinen Glauben an meine eigenen Möglichkeiten gehabt habe,
dass ich mich selbst nicht gleich viel geliebt habe, wie die andern,
nicht meinen Körper,
nicht mein Aussehen,
nicht meine Talente,
nicht meine Art zu sein.
Ich habe andere mein Leben steuern lassen.
Ich habe mehr auf das Urteil anderer vertraut als auf mein eigenes.

Ich bekenne,
dass ich mich nicht im Masse meiner vollen Fähigkeiten entwickelt habe,
dass ich zu feige gewesen bin, um in einer gerechten Sache Streit zu wagen,
dass ich mich gewunden habe, um Auseinandersetzungen zu vermeiden.

Ich bekenne,
dass ich nicht gewagt habe zu zeigen, was ich alles kann,
nicht gewagt habe, meine Fähigkeiten zu leben.

Gott unser Vater und Schöpfer,
Jesus, unser Bruder und Erlöser,
Geist, unsere Mutter und Trösterin,
vergib mir den Zweifel an mir selbst,
richte mich auf,
gib mir Glauben an mich selbst und Liebe zu mir selbst.

Leere Tasse

Eines Tages kam eine Schülerin zum Meister. Sie hatte schon so viel von dem weisen Mann gehört, dass sie unbedingt bei ihm studieren wollte. Sie hatte alle Angelegenheiten geregelt, ihr Bündel geschnürt und war den Berg hinauf gestapft – was sie zwei Tage Fußmarsch gekostet hatte.

Als die junge Frau völlig abgekämpft beim Meister ankam, sass der in aller Ruhe auf einer Matte und trank Tee. Sie begrüsste ihn überschwänglich und erzählte ihm, welche spirituellen Abenteuer sie schon erlebt hatte, welche Askese sie schon auf sich nahm, und wie viel Zeit sie sich pro Tag für das Gebet nehme, und was sie schon alles gelernt habe. Dann bat sie ihn, bei ihm weiterlernen zu dürfen.

Der Meister lächelte freundlich und sagte: “Komm in einem Monat wieder.”

Von dieser Antwort völlig verwirrt ging die junge Frau wieder zurück ins Tal. Sie diskutierte mit Freunden und Bekannten darüber, warum der grosse Meister sie wohl zurückgeschickt hatte.

Einen Monat später erklomm sie den Berg erneut mit nicht weniger Mühen, und kam zum Meister, der wieder auf seiner Matte, teetrinkend am Boden saß.

Diesmal erzählte die Schülerin von all den Hypothesen und Vermutungen, die sie und ihre Freunde darüber hatten, warum er sie wohl fortgeschickt hatte. Sie erzählte davon, wie sie darüber diskutiert hatten ob sie schon ausreichend viel gelernt habe, oder ob es noch zu früh sei, den Meister aufzusuchen – ob sie noch zu jung sei? Dennoch bat sie ihn, bei ihm lernen zu dürfen.

Der Meister lächelte sie freundlich an und sagte: “Komm in einem Monat wieder.”

Dieses frustrierende Spiel wiederholte sich einige Male. So langsam verliess die junge Frau der Mut. Es war nach langem Zaudern und vielen, vergeblichen Versuchen, dass sich die junge Frau denoch erneut aufmachte, um zu dem Meister zu gehen. Als sie diesmal beim ihm ankam und ihn wieder teetrinkend vorfand, setzte sie sich ihm gegenüber, lächelte und sagte nichts.

Nach einer Weile ging der Meister in seine Behausung und kam mit einer Tasse zurück. Er schenkte ihr Tee ein und sagte dabei: “Jetzt kannst du hier bleiben, damit wir zusammen üben können. In ein volles Gefäß kann man nichts füllen.”

 

Auch, wenn wir uns am Beginn der Ferien eher leer fühlen, so ist das nicht die erfüllende Leere, von der die spirituellen Traditionen sprechen. Wenn wir von Arbeit und Alltag leer sind, dann sind wir eigentlich eher ausgepresst und ausgelaugt. Das ist etwas anderes, als im geistlichen Sinn leer und offen zu sein. Wer sich dann wirklich wieder regenerieren möchte, der darf nicht der Illusion verfallen, er müsste möglichst viel „haben“ (Freiheit, Zeit, Erlebnisse,…) um sich wieder aufzufüllen. Er muss, im Gegenteil, die Schlappheit eine gute Zeit lang aushalten und hinhalten und muss vor allem eines lernen: unproduktives Warten, ohne sich abzulenken. Sonst merkt er nämlich gar nicht, dass er längst vor lauter Hunger seinen Hals so voll mit Überflüssigem gestopft hat, dass er eigentlich am liebsten ko…. möchte.

Ferien heisst, „nicht Müssen“. Gönnen Dir dieses „nicht Müssen“. Du musst gar nichts. Nicht mal glücklich sein musst Du! Wenn Du das zulassen kannst, wirst Du es vielleicht ganz von selbst.