Das Meer ist nicht mehr …

„Dann sah ich einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, auch das Meer ist nicht mehr. Ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem.“ (Offenbarung 21, 1.-2a)
„Das Meer ist nicht mehr“
Diese Worte, die sich eine Nachbarin schon länger für ihre Beerdigung gewünscht hatte, treffen mich mitten in’s Herz. Vor ein Paar Tagen war es so weit und wir haben voneinander Abschied genommen. Abschied in einer Weite und Ehrlichkeit, wie ich es selten erlebt habe.
Wenn jemand mitten im Sterben voller Vertrauen und Gelassenheit sagen kann, das Meer des Lebens, in dem so viele den Grund nicht unter die Füsse bekommen, das Meer aus Fragen und Verwirrendem, in dem so viele fast ertrinken, dieses Meer der Ahnungslosigkeit und der widerstrebenden Gefühle, ist nicht mehr, …
So frei von Angst möchte ich auch einmal gehen können!
So klar, aufrecht, und selbstverständlich meine wirkliche Heimat hinter den Dingen ahnend, möchte ich auch einmal alles, was jetzt zu meinem Leben gehört, loslassen können ohne mich vor Schmerz und Trauer all zu sehr zu fürchten.
„Ich sah das neue Jerusalem“ war für unsere Nachbarin keine Floskel. Für sie war Heimat immer etwas weit jenseits von Landschaft, Gebäuden und Menschen und der Zeit.
Vielleicht war das der Grund, warum es ihr so unnachahmlich gelang, ganz nah und tief verwurzelt in Ihrer Landschaft, in ihrem Elternhaus und mit den ganz konkreten Menschen Ihrer heimatlichen Umgebung zu leben. Weil sie nicht an ihnen hing. Weil sie niemand halten, zurückhalten musste.
Eine zärtlich befreiende Kraft und Klarheit lag geheimnisvoll in jeder Begegnung – ohne dass es dafür Worte brauchte.
Ich hoffe, sie hat uns diese Kraft dagelassen – uns, die wir noch im Meer rudern und die wirkliche Heimat, die „neue Stadt“, das „neue Jerusalem“ bisher nur unseren Wünschen kennen.