Gut, oder doch schlecht?

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<<Vor langer Zeit lebte ein alter Mann, der Pferde züchtete. Seine Pferde waren sehr bekannt und wurden zu hohen Preisen gehandelt. Eines Tages lief ihm sein edelster Zuchthengst davon. Die Nachricht dieses unschätzbaren Verlustes verbreitete sich in Windeseile. Alle Nachbarn kamen, um den Pferdezüchter zu trösten, weil sie wussten, wie sehr er an seinem Pferd hing. Sie bedauerten ihn so, als ob es ihr eigenes Unglück wäre. Er aber antwortete gelassen: «Nun ja, macht Euch keine Sorgen! Was man besitzt, wird man irgendwann auch wieder verlieren. Aber wenn man etwas verliert, gewinnt man auch etwas, oder?»
Tatsächlich, es kam genauso. Einige Tage später kehrte der Hengst zurück – und er kam nicht allein. Mit ihm kam eine bildschöne Stute. Selbst Leute, die nichts von Pferden verstanden, sahen sofort, dass diese Stute etwas ganz Besonderes war. «Was für ein Glück!», freuten sich nun die mitfühlenden Nachbarn. «Anstatt ein Pferd zu verlieren, hast du jetzt sogar ein wunderschönes Tier dazugewonnen. Wie schön für dich!»
Wieder antwortete der alte Mann gelassen: «Nun ja, wenn es Gewinn gibt, gibt es auch Verlust, oder? Deshalb gibt es nicht nur Grund zur Freude.»
Nach einigen Tagen wurde sein Sohn beim Zureiten von der Stute abgeworfen. Er fiel so unglücklich, dass er sich dabei ein Bein brach. Obwohl der Bruch sofort gut versorgt und so gut es ging eingerichtet wurde, konnte er danach sein Bein nie mehr richtig bewegen. Der Sohn war das einzige Kind des alten Mannes und er liebte ihn innig. Später einmal, so war der Plan, sollte er die Pferdezucht übernehmen. Aber wie sollte das nun gehen, mit dem lahmen Bein? Alle waren sehr traurig über diesen schweren Schlag des Schicksals – nur der alte Mann selbst sagte voller Gelassenheit: «Wer weiss, ob dies wirklich ein Unglück ist?»
Einige Jahre später herrschte Krieg im Land. Alle jungen Männer wurden eingezogen. Die meisten von ihnen kamen nicht mehr zurück. Nur der Sohn des alten Mannes blieb verschont, weil ein Soldat mit einem lahmen Bein im Krieg nichts nützt…>>
Gut, schlecht, Glück, Unglück, – woher sollen wir im Moment des Geschehens wissen, wohin uns die Dinge führen? Offen zu bleiben, und vertrauensvoll frei, ist das einzige, was wir tun können, um im Augenblick das Stimmige zu tun.
Also: keine Panik, ganz gleich, was geschieht. Oder biblisch ausgedrück: „Habt keine Angst.“

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